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Artikel

Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität (2013)

Eine Warnung vorab: Dieser Artikel ist knochentrocken, aber er bekommt zum Schluss ein Sahnehäubchen!

Vor zwanzig Jahren ging der Versuch, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) „richtig“ zu berechnen, in die erste Runde. Es sollten vom Statistischen Bundesamt nicht nur die Güter und Dienstleistungen, die bezahlt „über den Markt“ gingen, rechnerisch erfasst werden, sondern auch die fürs Wohlsein wesentlichen, aber unbezahlten. Das sollte in Form einer „Satellitenrechnung“ geschehen. Damals stand dazu in unserer Verbandszeitschrift dhg-Rundschau, (1) dass mit Satellit das Zweitrangige, Nachgeordnete gemeint sei, und unser Vorschlag war, von „Basalrechnung“ zu sprechen: Haus- und Familienarbeit als Basis der Wirtschaft.

Um es kurz zu machen: Sie rechneten und rechneten und kriegten es nicht hin. Das Projekt Satellitenrechnung verschwand in der Ablage.

Aber es wurde etwas Neues kreiert. Eine ganzheitliche Methode zur Wohlstands- und Fortschrittsmessung sollte durch die Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ gefunden werden. (2) Diese Kommission wurde 2010 eingesetzt. Enquete-Kommissionen sind Sondergremien des Bundestages. Abgeordnete und Sachverständige aus Wissenschaft und Praxis suchen bei vielschichtigen Themen – über die ständigen Ausschüsse des Bundestages hinaus – bis zum Ende der jeweiligen Wahlperiode Antworten auf die gestellten Fragen. Sie legen dem Bundestag einen Bericht vor und geben konkrete politische Handlungsempfehlungen als Grundlage für die Gesetzgebung.

Die oben genannten Fragen seien hier kurz vorgestellt: Was macht den Wohlstand und die Lebensqualität unserer Gesellschaft aus? Wird es uns gelingen, unsere Umwelt und unser Klima zu schützen und gleichzeitig unseren Wohlstand zu erhalten? Wie muss die Wirtschaft beschaffen sein, um Wohlstand und Fortschritt zu garantieren? Schon diese kurze Auflistung der Fragen zeigt, dass nahezu alle Lebensbereiche auf den Seziertisch mussten: Konsumverhalten und Lebensstil, Wirtschaft und Arbeitswelt.

Im Faltblatt des Deutschen Bundestages bezüglich Enquete-Kommission steht ausdrücklich „Arbeitswelt“, womit mal wieder der Erwerbsbereich gemeint ist. – Mit der Einrichtung der Enquete-Kommission reagiert der Bundestag auf die weitverbreitete Kritik am BIP als einzigem Wohlstandsindikator, wobei – wie wir wissen – soziale, kulturelle und ökologische Aspekte unter den Tisch fallen und die Familienhausarbeit einschließlich häuslicher Erziehung und Pflege keine Rolle spielt.

Die Mitglieder der Enquete-Kommission wollten Wege aufzeigen, ob und wie Wachstum und die Belastung von Umwelt und Klima dauerhaft entkoppelt werden können. Kann der technische Fortschritt helfen, dass bei weiterem Wachstum der Ressourcenverbrauch sinkt? Welche sozialen Wirkungen könnten eintreten, besonders im Hinblick auf einkommensschwache Haushalte? Welche Rahmenbedingungen müssen von Seiten der (Ordnungs-)Politik gesetzt werden? Zum Beispiel müsste das Verursacherprinzip gestärkt werden, d.h. die Haftung der Verursacher von Schäden. Nachhaltigkeitsrisiken müssten berücksichtigt werden, und wir alle müssten auf künftige Knappheiten vorbereitet werden. Und alles, alles müsste sozial ausgewogen sein.

In der Bundesdrucksache 17/3853 war der gewaltige Auftrag auf fast fünf Seiten komprimiert. Seit 2010 gab es eine Fülle von Studien, Expertisen, Gutachten und Stellungnahmen für die fünf Projektgruppen der Enquete-Kommission. Im Mai 2013 legte sie ihren Abschlussbericht vor. (3) Künftig sollen zehn Indikatoren verwendet werden, um „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ zu messen. Die 16 Mitglieder des Bundestages und die 16 externen Sachverständigen standen vor einem Grunddilemma: „Vielfalt und Breite sollten gewahrt bleiben, ohne gleichzeitig durch Tiefe und Komplexität zu überfordern“. (4)

Kurzum: es wird – wegen der Komplexität – auch fürderhin keinen alleinigen Gesamtindikator geben. Aber der Wohlstand soll dreifach gemessen werden: nämlich in seiner materiellen, sozialen und ökologischen Dimension. Beim materiellen Wohlstand sollen die Einkommens- und Vermögensverteilung berücksichtigt werden, ebenso die Schuldenstandsquote und die Nettoinvestitionsquote. Die finanzielle Nachhaltigkeit im Privatbereich wird erschlossen durch Berücksichtigung der Kreditvergabe und der Immobilienpreise. Bei der sozialen Dimension spielen die Erwerbstätigenquote und die Gesundheitssituation eine Rolle. Die Qualität von häuslicher Erziehung und Pflege taucht nicht auf. – Jetzt wird’s schwierig: ein Freiheitsmaß – was immer das ist – soll durch den Weltbankindikator „Voice & Accountability“ (Mitsprache und Verantwortlichkeit) ausgedrückt werden. (5) Die ökologische Dimension des Wohlstands soll u. a. durch die Treibhausgasemissionen erfasst werden.

Insgesamt kommen bei den drei Dimensionen zehn Indikatoren zusammen, die „W3Indikatoren 2013“:

Materieller Wohlstand: Einkommensverteilung, Bruttoinlandsprodukt, Staatsschulden

Soziales / Teilhabe: Freiheit, Gesundheit, Bildung, Beschäftigung

Ökologie: Treibhausgase national, Stickstoff national, Artenvielfalt national (6)

Der Bericht der Enquete-Kommission ist ein Wunschkatalog. Die Kommission empfiehlt, die Bundesregierung möge einmal im Jahr einen Wohlstandsbericht vorlegen, statt in loser Folge Einzelberichte über verschiedene oben genannte Aspekte.

Meine Meinung: Egal, was die Politik macht, es ist ganz schwierig, alle zehn Indikatoren gleichzeitig zu verfehlen, so dass wir immer von Erfolgen hören werden.

Jetzt kommt das Sahnehäubchen:

Im kleinen Himalaya-Königreich Bhutan heißt das Staatsziel „Bruttonationalglück“.(7) Das ist das Gleichgewicht zwischen materiellem Fortschritt und spirituellem Wohlergehen. In einer Umfrage zum Wohlergehen bezeichnen sich 68 % der Befragten als glücklich.(8) Während konventionelle Modelle das Wirtschaftswachstum zum herausragenden Kriterium politischen Handelns machen, nimmt die Idee des Bruttonationalglücks an, dass eine ausgewogene und nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft nur im Zusammenspiel von materiellen, kulturellen und spirituellen Schritten geschehen kann.

Wo steckt in den W3Indikatoren der Enquete-Kommission die spirituelle Dimension?

Quellen:

  • (1) dhg-Rundschau 1/1993: Das Bruttosozialprodukt und die Basis der Wirtschaft
  • (2) Dem Artikel liegt das Faltblatt der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ zugrunde, vgl. www.bundestag.de /bundestag/ausschuesse17/ gremien/enquete/ wachstum/index.jsp
  • (3) Deutscher Bundestag Drucksache 17/13300 – 17. Wahlperiode (03.05.2013): Schlussbericht der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft“, 844 Seiten. Online: www.bundestag.de/bundestag/gremien/enquete/wachstum/Schlussbericht/index.html
  • (4) Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.01.2013, Nr. 24, S. 11: „Neue Maßzahlen für den Wohlstand“
  • (5) wie (3), S. 261ff
  • (6) wie (3), S. 28ff
  • (7) „What is ‚Gross National Happiness’?“ Simpleshow (ein Video-Erklärformat), gestaltet von Morten Søndergaard, im Internet veröffentlicht vom Gross National Happiness Fund am 13.12.2010, siehe www.gnhfund.com
  • (8) Spiegel online 23.8.2008: www.spiegel.de/politik/ausland/bhutan-im-land-des-bruttosozialgluecks-a-543004.html

(In: Familienarbeit heute. (Hg.) Hg.) Verband der Familienfrauen und -männer e.V. 2/2013, S. 12.)

Gender im Schafspelz (2012)

„Wenn wir es einmal zulassen, dass die Wörter ihrer Inhalte beraubt werden, so kann es nicht mehr lange dauern, bis wir unserer Freiheit beraubt werden.“

(Konfizius, 2500 v. Chr.)

Vor mir liegt der Ankündigungstext einer Tagung der Technischen Universität Darmstadt. Es sollen mehr Mädchen und junge Frauen für die MINT-Fächer gewonnen werden. (1) Die Gender-Projekte an der TU Darmstadt stellen sich vor: „die Gender-Sensibilisierung im Unterricht“, „die Gender Toolbox (der Gender-Werkzeugkoffer)“, „Gender-Mainstreaming in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern“, „gendersensibler Unterricht“, „gendersensible Lehrkräfte“, „genderstereotypes Studien- und Berufswahlverhalten“ etc. Wenn man eine nur ungefähre Vorstellung von „Gender“ hat, liest sich das alles ganz vernünftig. Aber seitdem ich mehr über Gender weiß, ist mir das alles höchst verdächtig.

Wenn wir das deutsche Wort „Geschlecht“ ins Englische übersetzen wollen, haben wir die Wahl zwischen zwei Wörtern: „Sex“ steht für das biologische, das „angeborene“ Geschlecht, männlich/weiblich, das normalerweise bei der Geburt anhand der äußeren Geschlechtsmerkmale festgestellt wird und identitätsstiftend ist. Daneben gibt es die Vokabel „Gender“, die diese Geschlechtsidentität aufhebt. Gender umfasst die sozialen Rollen, die in ihrer Gesamtheit das soziale Verhalten eines Mannes oder einer Frau bestimmen. Gender wird ganz überwiegend durch Erziehung, Verordnung und Einfluss des sozialen Umfelds erworben. Die sozialen Rollen sind nach Ansicht der Gender-Feministinnen ein gesellschaftliches Konstrukt und können dementsprechend auch dekonstruiert werden. Demnach gäbe es nicht nur zwei Geschlechter, sondern mindestens sechs Gender: Mann und Frau, jeweils heterosexuell, homo- bzw. bi- und transsexuell. Die Dekonstruktion zielt auf Ehe, Familie, Mutter- und Vaterschaft.

Im Laufe der Zeit hatten die Frauen angefangen, sich gegen die ihnen im Patriarchat als untergeordnet zugewiesene Rolle zu wehren. Sie wollten selbstbestimmt leben. Das waren die Anfänge von Emanzipation und Feminismus. Und das Ende ist noch nicht abzusehen.

Aber Vorsicht! Es gibt nicht d e n Feminismus!

Der Feminismus, der seit der ersten Frauenbewegung den Frauen die verschiedensten Berufsfelder öffnete, beließ es dabei, dass sie vom biologischen Geschlecht her Frauen sind und Frauen bleiben.

Der Feminismus, für den unser Verband seit über 30 Jahren kämpft, schließt die im sozialen Gefüge unentbehrliche Rolle der Familienfrau / des Familienmannes in den Gleichberechtigungsanspruch mit ein. Durch die angemessene Honorierung auch der „reproduktiven“ Arbeit sind Familien- und Erwerbsarbeit als gleichwertig anzuerkennen. Die Mutter / der Vater, die die Familienarbeit leistet, erreicht so ihre / seine persönliche Existenzsicherung und Unabhängigkeit.

Aber jetzt kommt der „Egalitätsfeminismus“ (Gender-Feminismus). Er beruft sich auf seine Urgroßtante Simone de Beauvoir und ihren berühmten Satz: „Wir werden nicht als Frauen geboren, wir werden dazu gemacht.“

Der Gender-Feminismus ist als Programm „Mainstream“ also eine Hauptströmung, nach der sich die gesamte Gesellschaft auszurichten hat und die sie in allen Bereichen durchdringt. Doch „Über das, was die Gender-Perspektive will, gibt es keine offene Diskussion. Sie kommt nicht als großes Schiff daher, obwohl sie doch in allen politischen und öffentlichen Programmen verankert werden soll, sondern wie ein U-Boot, das keiner genau kennen soll. Die Strategie der neuen Ideologie heißt: Die Bedeutung von Worten verändern.“2)

Gender verschafft sich auch ein neues Arbeitsplatzsegment: Keine Universität ohne Gender Studies. Gender-Fachstellen schießen wie Pilze aus dem Boden. Es gibt Gender-Training, -Coaching, -Moderation, -Organisationsentwicklung, -Evaluierung usw. Beispielhaft ist das Gender-Kompetenz-Zentrum an der Humboldt-Universität in Berlin.3)

Während Lehrstühle und Finanzmittel in anderen Fächern möglichst eingespart werden, wurden in Deutschland seit 1997 dreißig neue Lehrstühle für Gender-Studies eingerichtet, allein 2011 waren es sechs. Insgesamt gibt es davon 62, nicht gerechnet die zahlreichen fächerübergreifenden Ableger zu diesem Thema in anderen Disziplinen / Instituten4). Nach Lage der Dinge ist davon auszugehen, dass alle dort Studierenden ihre Ausbildung mit der Erkenntnis abschließen, dass Mann und Frau gleich und deshalb beliebig austauschbar sind.

Ich weiß noch, wie ich mich Ende der 1990er Jahre gefreut habe, als es „Gender-Budgeting“ als neue Vokabel gab. Alle Positionen der öffentlichen Haushalte bei Bund, Ländern und Kommunen sollten darauf abgeklopft werden, ob sie im gleichen Ausmaß Frauen wie Männern zugute kämen. Bei der Sport-Förderung zum Beispiel wäre dann jeweils zu fragen: Werden Mädchen und Frauen im gleichen Maß gefördert wie Jungen / Männer?

In der jüngsten Zeit publizieren gehäuft Fachleute ihre Ergebnisse der Hirnforschung, die die genetisch bedingten Unterscheidungsmerkmale der Begabungen oder im Sozialverhalten von Männern und Frauen zum Gegenstand haben. Niemand gibt sich dabei die Blöße zu behaupten, männliche und weibliche Gehirne seien „gleich“. Auch wenn es Frauen gibt, die systematischer denken als manche Männer, und auch wenn es Männer gibt, die mit mehr Empathie begabt sind als manche Frau, so ist die Norm doch eindeutig zuzuordnen. Eine Ideologie, die für beide Geschlechter „Gleichheit“ behauptet, damit aber nicht Gleichwertigkeit meint, sondern ganz offenbar die völlige Abwertung des Weiblichen in seiner sozialen Funktion betreibt, kann nur in eine selbstzerstörerische Sackgasse führen.

Anmerkungen:

  • (1) Unter der Überschrift: „Sollen wir den Zahlen jetzt Röckchen anziehen?! Wie lassen sich die Studien- und Berufswahlperspektiven junger Frauen erweitern.“ fand am 10. und 11. Februar 2012 eine LehrerInnen-Fachtagung an der Technischen Universität Darmstadt statt. Es geht um das G-MINT-Projekt „Gendersensibilisierung im Unterricht – Verbesserung der Unterrichtsqualität“. Kooperationspartner sind die Hessische Landeszentrale für politische Bildung, Referat IV (HLZ) und das Amt für Lehrerbildung (AfL). Unter „MINT“ werden die Unterrichtsfächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik zusammengefasst.
  • (2) Christl Ruth Vonholdt: Die Gender Agenda, Teil I. Eine Zusammenfassung aus dem Buch „The Gender Agenda“ von Dale O’Leary. Erschienen in: Bulletin DIJG, Frühjahr 2007, Nr. 13, Die GenderAgenda – Teil I, S. 4-17. Das Zitat bezieht sich auf die Online-Veröffentlichung unter www.dijg.de/gender-mainstreaming/dale-o-leary-agenda-konzept-hintergrund/
  • (3) Pressemitteilung des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) vom 27.10.2003: „GenderKompetenzZentrum geht an den Start […] Das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanzierte Zentrum soll die Einführung von Gender Mainstreaming in alle Bereiche der Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung unterstützen. Es soll beraten, Forschung initiieren und koordinieren, Wissen bündeln und Expertinnen und Experten ausbilden.“ Quelle: www.pressrelations.de
  • (4) DIE ZEIT 2/2012, S. 57

(In: Familienarbeit heute. (Hg.) Verband der Familienfrauen und -männer e.V. 2/2012, S. 12.)

Unser Grundgesetz ist 60 geworden (2009)

Eherecht trotz Gleichberechtigungsartikel mit patriarchalischer Schlagseite – bis heute

Ich fange mit 1918/19 an. Im Zuge der Nachkriegsentwicklung bekamen Frauen 1918 das aktive und passive Wahlrecht (vorher konnten wegen des Dreiklassenwahlrechts auch viele Männer nicht wählen). Die erste Wahl, bei der Frauen wählen konnten, begründete die Weimarer Republik 1919. Die Wahlbeteiligung der Frauen betrug 80 %. In verschiedenen Veranstaltungen wird in diesem Jahr 2009 an 90 Jahre Frauenwahlrecht erinnert.

Die Weimarer Verfassung formulierte Gleichberechtigung als allgemeines Prinzip. In Artikel 109, Satz 2, heißt es: „Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.“ Und in Artikel 119 ist zu lesen: „Die Ehe steht als Grundlage des Familienlebens und der Erhaltung und Vermehrung der Nation unter dem besonderen Schutz der Verfassung. Diese beruht auf der Gleichberechtigung der beiden Geschlechter“.

Wahlrecht hin oder her. Im Familienrecht blieb alles beim Alten. Seit 1900 gab es das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Mädchen und Knaben standen unter der Vorherrschaft des Vaters. Heiratete das Mädchen, so stand sie als Ehefrau unter der Vorherrschaft des Ehemannes. Der so genannte Gehorsamsparagraph führte dazu, dass der Ehemann den Ehenamen, Wohnung und Wohnort und die schulischen und beruflichen Interessen der Kinder bestimmte. Es gab laut BGB eheliche Rechte und Pflichten. Für die Ehefrau gab es die Pflicht zur Haushaltführung. Erwerbstätigkeit nur mit Zustimmung des Ehemanns. Eheliche Pflicht bestand auch in der sexuellen Verfügbarkeit. Deshalb war der Tatbestand „Vergewaltigung in der Ehe“ undenkbar.

Männer genehmigen sich mit dem BGB Vorrechte im Ehegüterrecht

Gravierend war auch die Vorrangstellung des Ehemanns im Ehegüterrecht.

Zitat Dr. Lore M. Peschel-Gutzeit, ranghohe Juristin, aus ihrem Statement bei einer Tagung des „Verbandes der Familienfrauen und –männer“ in Berlin 2007: „ …bis März 1953 herrschte der gesetzliche Güterstand der alleinigen ehemännlichen Verwaltung und Nutznießung, und das bedeutete, dass das Vermögen der Frau durch die Eheschließung der Verwaltung und Nutznießung des Ehemannes allein unterworfen wurde, und zwar nicht nur das mitgebrachte, sondern auch das während der Ehe erworbene Gut! Der Ehemann durfte das eingebrachte Gut der Frau allein in seinen Besitz nehmen, er hatte es zu verwalten und nur auf Verlangen der Frau Auskunft über ihr eigenes Vermögen zu geben. Ohne Zustimmung der Frau konnte der Mann über Geld und verbrauchbare Sachen der Frau verfügen, während die Ehefrau zur Verfügung über ihr eingebrachtes Gut der Einwilligung des Mannes bedurfte. Und der Ehemann durfte das Geld der Frau und andere verbrauchbare Sachen für sich selbst veräußern oder verbrauchen. Dass dieser, seit 1900 geltende gesetzliche Güterstand in gröbster Weise verfassungswidrig war, lag auf der Hand.“

Dies war das Güterrecht, unter dem meine Mutter und zwei meiner älteren Schwestern geheiratet haben. Ich glaube, sie hatten von der juristischen Seite der Ehe keine blasse Ahnung.

Parlamentarischer Rat wollte die Vorrechte des Mannes in der Ehe erhalten

Im Jahr 1948 gibt die UNO die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte heraus: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Zu der Zeit tagt schon der Parlamentarische Rat in Bonn. Er hat die Aufgabe, eine Verfassung (Grundgesetz) für die Bundesrepublik Deutschland auszuarbeiten. Mitglied ist auch die Rechtsanwältin Dr. Elisabeth Selbert aus Kassel, eine der vier Mütter des Grundgesetzes. Im Parlamentarischen Rat besteht die Tendenz, in Bezug auf staatsbürgerliche Rechte und Pflichten von Männern und Frauen den allgemein gehaltenen Satz aus der Weimarer Verfassung zu übernehmen. Aber da wird Elisabeth Selbert aktiv. Sie plädiert dafür, bei den Grundrechten, also an prominenter Stelle (im Artikel 3 als Absatz 2) den Satz einzubringen: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Das Vorhaben droht zu scheitern. Sie wendet sich an die wiederbelebten deutschen Frauenvereine und lässt „waschkörbeweise“ Protestnoten in Bonn ankommen.

Weshalb gab es so viel Gegenwehr im Parlamentarischen Rat? Es war offensichtlich, dass eine Fülle von Gesetzesänderungen in allen Rechtsbereichen des Bürgerlichen Rechts würde folgen müssen, vor allem im Familien- und Ehegüterrecht.

Am 8. Mai 1949 beschloss der Parlamentarische Rat das Grundgesetz. Und nachdem es von mehr als Zweidritteln der beteiligten Länder angenommen worden war, hat er es am 23. Mai 1949 verkündet. Das war also vor 60 Jahren. In Artikel 117 des Grundgesetzes – auch von Elisabeth Selbert erarbeitet -, wurde bestimmt, dass das dem Grundgesetz-Artikel 3 Absatz 2 „entgegenstehende Recht“ nach dem 31. März 1953 außer Kraft gesetzt wird. In der Legislaturperiode bis 1953 gab es also einiges zu tun. Als eines der ersten großen Gesetzesvorhaben wurde zum Beispiel das Lastenausgleichsgesetz verabschiedet. Aber die Abgeordneten schafften es bis 1953 nicht, ein Gleichberechtigungsgesetz auf den Weg zu bringen. Im Eherecht und Ehegüterrecht hatte sich damit ab April 1953 ein rechtsfreier Raum aufgetan. Erst 1957, am Ende der zweiten Legislaturperiode, wird das Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet. Es tritt am 1. Juli 1958 in Kraft. Der Letztentscheid des Mannes in „ehelichen“ Fragen entfiel. Der Letztentscheid („Stichentscheid“) in Bezug auf Kinder (Schul- und Berufsausbildung) blieb erhalten, wurde aber 1959 auf Grund der Klage einer Mutter vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt.

Seit 1958 Zugewinngemeinschaft mit Gleichstellungsdefizit – bis heute

Im Ehegüterrecht gilt seit Juli 1958 die Zugewinngemeinschaft. Auch heute noch, nach 50 Jahren, wissen viele Frauen nicht, dass das Wort „Zugewinngemeinschaft“ eine Irreführung ist. Es ist Gütertrennung bei bestehender Ehe und Ausgleich des Zugewinns am Ende der Ehe. Meines Erachtens widerspricht die Zugewinngemeinschaft seit 50 Jahren dem Gleichberechtigungsgesetz. Es gibt in der Ehe ein Gleichstellungsdefizit. Wenn eine Frau wegen Kindererziehung kein oder nur ein geringes Einkommen hat, kann sie auch kein Vermögen bilden. Gleichberechtigte Verfügung über Einkommen und Vermögen ist gesetzlich nicht vorgesehen.

Ich selbst habe im Januar 1959 geheiratet, also ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes. Das ganze Gesetz und die Änderung des Ehegüterstandes haben mich überhaupt nicht interessiert. Das Einzige, woran ich mich erinnere, ist, „da wird irgendwas verbessert.“ Mein Mann und ich bekamen zur Hochzeit auf dem Standesamt ein in Leinen gebundenes Buch mit drei Bändchen, schwarz-weiß-rot, „Hausbuch für die deutsche Familie“. Es wurde herausgegeben vom Bundesverband der deutschen Standesbeamten. Das Buch hat 300 Seiten, davon 150 Seiten Kochrezepte, aber immerhin auch ein Kapitel von 15 Seiten über „das Recht in Ehe und Familie“ mit Erklärung des neuen Ehegüterrechts.

Auf der Tagung zum ehelichen Güterrecht des „Verbands der Familienfrauen und –männer“ im November 2007 konstatierte die Leiterin der Abteilung Gleichstellung im Bundesfamilienministerium, Eva Maria Welskop-Deffaa: „Reformen des Familienrechts sind gleichstellungspolitisch von allergrößter Bedeutung. Nirgendwo sonst werden Rollenbilder so unmittelbar in Recht gegossen, in keinem anderen Bereich der Gesetzgebung spielen Vorstellungen vom Verhältnis der Geschlechter eine so große Rolle. … Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Familienrecht und Gleichstellungspolitik. … Das eheliche Güterrecht bildet in vielen Fällen nicht ab, was die Paare zu regeln wünschen. Daher ist eine Änderung des gesetzlichen Güterstandes ebenso wie eine verbesserte Ausgestaltung der Wahlgüterstände eine fortbestehende Forderung der Gleichstellungspolitik.“

Gewerkschaften tolerierten Lohnabschläge für Frauen und Leichtlohngruppen

Das Gleichberechtigungsgesetz von 1958 sollte den Frauen dazu verhelfen, endlich die gleichen Rechte wie Männer in Anspruch nehmen zu können. Aber auch im Erwerbsbereich bleibt eine unübersehbare und hartnäckige Ungleichheit. Die Erklärung dafür ist einfach. Der „Grundfehler“ der meisten Frauen besteht darin, nicht so zu leben wie Männer. Immer noch übernehmen sie den Hauptteil der Erziehungs- und Pflegearbeit, und das zählt in der männlich dominierten Gesellschaft nicht viel. Das zeigt sich in der Entlohnung bei allen Frauen (auch wenn sie keine Kinder haben und keine Alten und Kranken pflegen) während der Erwerbsphase und bei der Alterssicherung.

Für gewerkschaftlich aktive Parlamentarierinnen war es ein Skandal, dass der Satz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ nicht ins Gleichberechtigungsgesetz aufgenommen worden war. Im Erwerbsbereich gab es für Frauen – ausgehandelt zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften – Abschläge. Ich hatte zum Beispiel als Werkstudentin 1954 auf meinen Tariflohn einen Abschlag von 15 %. Der Grund: alle Männer galten als „Ernährer“ und bekamen mehr Lohn oder Gehalt, egal, ob sie Frau und Kinder hatten. Spezielle Frauenlöhne wurden während der ersten Legislaturperiode der Bundesrepublik aufgrund einer Klage vom Bundesverfassungsgericht verboten. Daraufhin wurden Leichtlohngruppen eingerichtet, die waren angeblich geschlechtsneutral, aber komischerweise waren nur Frauen darin.

Mann kocht nicht – gilt als Ernährer

Das Gleichberechtigungsgesetz hatte einen „Geburtsmakel“: es hielt im Eherecht die Rollenbilder aufrecht. Der Mann war „Ernährer“, die Ehefrau hatte die Pflicht zur Haushaltsführung. Erwerbstätig konnte sie nur sein, so weit das mit ihrer Pflicht zur Haushaltsführung vereinbar war. Einen Haushalt zu führen war Schwerarbeit. Alle technischen Hilfen und Fertigprodukte, die uns heute selbstverständlich sind, standen noch nicht zur Verfügung.

Für die Aufnahme einer Erwerbsarbeit war bis Mitte 1958 die Zustimmung des Ehemannes erforderlich. Er konnte den Arbeitsvertrag der Frau fristlos kündigen. Ab dem 1. Juli 1958 konnte er das nicht mehr, aber die Ehefrau brauchte seine Billigung und sein Einverständnis, denn der Mann konnte die Pflichtverletzung bei der Haushaltführung als Scheidungsgrund benennen. Im Scheidungsrecht galt bis 1977 das Schuldprinzip.

Das eigene Konto

Erst seit dem Gleichberechtigungsgesetz kann die Frau selbständig ein Konto eröffnen. Vorher brauchte sie dazu die Einwilligung des Vaters oder des Ehemannes. Allerdings war es so, dass bis weit in die 1960er Jahre hinein Lohn bzw. Gehalt in Lohntüten bar ausgezahlt wurde; für Angestellte monatlich, für Arbeiter wöchentlich. Der Gedanke an ein eigenes laufendes Konto stellte sich gar nicht. Banken und Arbeitgeber mussten intensiv Werbung betreiben für die Idee, ein laufendes Konto zu haben. Die Kontoführung war umsonst, und man konnte in der Firma frei nehmen, um sich das Geld von der Bank zu holen; so viel war dem Arbeitgeber die Arbeitserleichterung wert. Das Abzählen und Eintüten des Geldes war eine irre Arbeit, und der Raum, in dem die Lohnbuchhalter dabei saßen, glich einem Hochsicherheitstrakt. Das viele Bargeld hätte Begierden wecken können. Man zahlte mit Bargeld und hatte evtl. ein Sparbuch und ein Postsparbuch für unterwegs.

Reformen 1977

1977, zwanzig Jahre nach Verabschiedung des Gleichberechtigungsgesetzes, kommt es zu weit reichenden Reformen des Familienrechts. Erst jetzt verzichtet der Gesetzgeber darauf, Männern und Frauen bestimmte Rollen zuzuweisen. § 1356 BGB: Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit sind gleichwertig. Eheleute leisten sich gegenseitig Unterhalt. § 1360: Haushaltsführung in gegenseitigem Einvernehmen. Beide können erwerbstätig sein. Das Namensrecht wird kompliziert reformiert; auch der Name der Frau kann nun Ehename sein. Das Scheidungsrecht wird reformiert: vom Schuldprinzip zum Zerrüttungsprinzip. Damit verbunden ist der Versorgungsausgleich.

1984 kommt das Gleichberechtigungsgesetz den Männern zugute. Einige Männer klagten vor dem Bundesverfassungsgericht auf Witwerrente, weil ihre Frau erwerbstätig war. Bis dahin konnte nur ein Mann seiner Frau eine Hinterbliebenenrente hinterlassen (komplizierte Anrechnungsmethode). Damals bezogen vier Millionen Frauen eine Hinterbliebenenrente, aber nur 6.000 Männer. Heute? Auch auf Grund der Klage eines Mannes können Männer in den Berufsstand der Hebammen hinein. Sie heißen dann Entbindungspfleger. Wie viele arbeiten heute in diesem Beruf?

Bibliothek statt Wikipedia

Die Recherche zum Gleichberechtigungsgesetz 1958 führte mich in Düsseldorf zur Zentralbibliothek in die Abteilung F = Recht. Ich brachte dem Bibliothekar mein Anliegen vor, das Original einzusehen. Er ging mit mir zum Giftschrank, einem verschlossenen Glasschrank zwischen den Regalen, schloss auf und nahm den dicken ersten Ordner einer Loseblattsammlung „Gesetze“ heraus, und siehe da: das Gleichberechtigungsgesetz war weg! Inhaltsverzeichnis und Gleichberechtigungsgesetz hatten sich in Luft aufgelöst. Den Bibliothekar schien es nicht zu erschüttern. Er sah meinen fragenden Blick und sagte: „Ich kann in den Keller gehen.“ Das tat er dann auch, und nach einer Weile kam er zurück mit einem Band Bundesgesetzblatt von 1957. Da war es drin. Das war schon spannend, den Band in die Hand zu nehmen, der vielleicht fünfzig Jahre lang geschlummert hat.

Der genaue Titel lautet: Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des Bürgerlichen Rechts (GleichberG).

Im Bundesgesetzblatt sind es 32 DIN A-4 Seiten, nicht etwa Schreibmaschine, sondern feinster Druck, davon 26 Seiten zum Ehe- und Ehegüterrecht und sechs Seiten Änderung der Zivilprozessordnung. Es wird aufgelistet, wie die bisherigen Paragraphen des BGB ab 1. Juli 1958 aussehen sollen, zum Beispiel: „§ 4 wird wie folgt gefasst“, oder „§ 1354 fällt weg“.

In den §§1356 - 1360 sind die gravierendsten Änderungen. Die Paragraphen 1363 – 1390, Ehegüterrecht, sind total geändert, das habe ich oben ausführlich dargestellt. Die Lektüre im Original-Bundesgesetzblatt hat mich erheitert, und ich glaube, so viel Spaß ist bei Wikipedia nicht drin.

(In: Familienarbeit heute. (Hg.) Verband der Familienfrauen und -männer e.V. 3/2009, S. 6-8.)

Die Patriarchinnen um Alice Schwarzer (2007)

Der mächtigste Wehrturm im turmreichen Köln ist der Bayenturm. Er gehört einer gemeinnützigen Stiftung. Im Stiftungsvorstand sind Alice Schwarzer, Dr. Ursula Scheu und Prof. Miriam Meckel. Der Bayenturm heißt seit geraumer Zeit FrauenMediaTurm FMT.

Im Vorstellungsblatt des FMT heißt es: „…Informationszentrum zur Geschichte der Emanzipation von Frauen … 24.000 Zeitschriftenausgaben von 923 Titeln … 29.000 Aufsätze …“ usw. Im Text heißt es weiter: „Die Sammelschwerpunkte des FMT sind u. a. Geschichte der Historischen und Neuen Frauenbewegung in Deutschland … Arbeit von Frauen (Haus und Beruf) …“

Ich nahm an einer Besichtigung des FrauenMediaTurms teil, und ich fand die Führung spannend. Ich dachte: Hier fehlt doch was!

Am 30.11.2006 schrieb ich einen Brief:

„Sehr geehrte Frau Dr. Scheu,

am 15. November hatte ich Gelegenheit, an einer Führung durch den FrauenMediaTurm teilzunehmen. Dieses Kennenlernen hat mich sehr beeindruckt. Ich überlegte, ob in diesem reichhaltigen Ensemble nicht doch etwas fehlt: die Zeitschrift unseres Verbandes „Familienarbeit heute“, früher dhg-Rundschau. In unserem Verband verstehen wir uns in unserem Einsatz für Frauen, die Familienarbeit leisten, als Teil der Frauenbewegung. Uns geht es um ein anderes Verständnis von „Arbeit“, um eine inklusive Sprache und um Beachtung/Bewertung/Bezahlung von Familienarbeit. Bitte sehen Sie sich die letzten acht Ausgaben unserer Zeitschrift an, das sind die Jahre 2005 und 2006. Prüfen Sie den Blickwinkel und den emanzipatorischen Ansatz bezüglich Arbeit/Familienarbeit. Wenn Sie unsere Zeitschrift fürs Archiv haben wollen, geben Sie mir bitte Nachricht. Ich werde dann dafür sorgen, dass unsere Geschäftsstelle den Versand veranlasst. Ich kann Ihnen auch frühere Ausgaben, insgesamt ein Leitzordner, zusammenstellen, wenn Ihnen das aus archivarischen Gründen wichtig ist.“

Als Schlusssatz schrieb ich: „Ich erwarte Ihre Antwort“, und ich schickte noch ein paar freundliche Advents- und Weihnachtsgrüße hinterher.

Ich wartete und wartete. Nach einem guten halben Jahr schickte ich am 16.07.2007 wieder einen Brief an Frau Dr. Scheu:

„Ich habe noch keine Antwort von Ihnen auf meinen Brief mit Anlagen vom 30.11. vorigen Jahres und bitte darum.“

Die Bitte war vergeblich.

Unser Mitglied Bärbel Albrecht schreibt in ihrer Diplomarbeit –Familienarbeit und die Regeln des Marktes: „Maria Lischnewska vertrat 1905 die Position, Hausarbeit gehöre zum Teil abgeschafft, zum andern Teil genossenschaftlich organisiert, so dass nichts übrig bleibe, was bezahlt werden könne, eine Überzeugung, der auch Teile der zweiten Frauenbewegung um Alice Schwarzer folgten.“

So ist das also. Einerseits erhebt der FMT den Anspruch, Chronik der Frauenbewegung zu sein, andererseits maßen sich die Frauen im FMT die Definitionsmacht an, was zur Frauengeschichte und Frauenbewegung gehört und was eben nicht dazu gehört. Sie pflegen ihre Monokultur im Denken.

Ein klassischer Mechanismus bei Patriarchen ist es, ihnen missliebige Sachverhalte auszublenden. Die Patriarchinnen um Alice Schwarzer üben sich auch in diesen Mechanismus ein. Sie schweigen tot, was ihnen persönlich nicht passt. Die Patriarchinnen sprechen das aber nicht aus.

Auch eine Ablehnung der Archivierung hätte einen Antwortbrief verdient. So kann ich nur zu dem Ergebnis kommen: kein Benimm.

(In: Familienarbeit heute. (Hg.) Verband der Familienfrauen und -männer e.V. 4/2007, S. 3.)

Ein so alter Brief … Ehrung für Elisabeth Selbert, eine Mutter des Grundgesetzes (2006)

Ich habe ein fünfundzwanzig Jahre altes Buch gelesen: Marianne Feuersenger: „Die garantierte Gleichberechtigung“ (Herder 1980). Ich dachte, ich müsste mich durchbeißen, aber die Lektüre stellte sich als richtig spannend heraus. Anlass zum Lesen war ein ebenso alter Briefwechsel zwischen Inge Söchting, unserer ehemaligen Landesvorsitzenden in Hessen, und Dr. Elisabeth Selbert, Rechtsanwältin und Notarin in Kassel. Bekannter als durch ihren Beruf ist Frau Selbert als eine der vier Mütter des Grundgesetzes: Sie war Mitglied des Parlamentarischen Rates, der das Bonner Grundgesetz beriet. Am bekanntesten wurde sie, weil sie den Artikel 3 Absatz 2 in die Verfassung brachte: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, und zwar als Grundrecht. Punktum.

Das Gezerre um diesen Artikel, die parteipolitischen Querelen, die wechselnden Koalitionen von Zustimmung und Ablehnung, der unermüdliche Einsatz der Frauenverbände, die ‚waschkörbeweise’ eintreffenden Proteste der Bürgerinnen füllen die ersten Kapitel des Buches. Die große Sorge der Gegner des neuen Grundrechtes, waren die immensen Auswirkungen im Ehe- und Familienrecht: Stichentscheid des Ehemannes/des Vaters, Eheliches Güterrecht, Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht und letztendlich Namensrecht: In allen diesen Rechtsgebieten waren Änderungen fällig aufgrund des folgenschweren Satzes der Elisabeth Selbert.

Elisabeth Selbert lebte von 1896 bis 1988. Sie heiratete mit 24 Jahren und hatte zwei Söhne, geboren 1921 und 1922. Ihr Mann war in der SPD engagiert und auch sie trat in die SPD ein. Durch ihren Mann ermutigt, begann sie 1926 Jura zu studieren. Nach dem Staatsexamen wurde sie promoviert; sie wurde 1934 Kassels erste Staatsanwältin. Elisabeth Selbert gelang es im Dezember 1934 gerade noch, die Zulassung als Anwältin zu bekommen und sich selbständig zu machen, bevor ein „Führer-Entscheid“ Frauen von Berufen in der Justiz ausschloss. Sie finanzierte den Familienhaushalt, da ihr Mann als „Schutzhäftling“ ins Konzentrationslager gebracht worden war und nach seiner Entlassung keine Erwerbsarbeit aufnehmen durfte. In den vielen Jahren ihrer Tätigkeit war sie – abgesehen von ihrer Arbeit im Parlamentarischen Rat – mit Ehe- und Familienrecht befasst. Das heißt, sie war immer „nah dran“.

Im Jahr 1979 wurde der vffm, vormals dhg, gegründet. Am 18. März 1981 schrieb Inge Söchting der damals Fünfundachtzigjährigen einen Brief und bat um ihre Mithilfe. Im Brief steht unter anderem folgende Passage: „Wenn überhaupt die Gleichberechtigung der Frauen in der Praxis ausgeübt wird, so kommen meines Erachtens zunächst nur die berufstätigen Frauen in den Genuss der verankerten Gesetze. Im Abseits stehen jedoch die nicht erwerbstätigen Hausfrauen und Mütter.“

Der Antwortbrief (23. April 1981) von Elisabeth Selbert kam rasch: „Sie wissen, dass ich, um die Gleichberechtigung der Frau durchzusetzen, in erster Linie an das Familienrecht angeknüpft habe. (…) Mir ging es ganz besonders auch um die Rechtstellung der Frau in der Ehe, wobei ich in der Zwischenzeit immer wieder den Standpunkt vertreten habe, dass die Bewertung der Hausfrauenarbeit der des Ehemannes gleichzusetzen ist. Ich halte daher auch eine eigenständige Hausfrauenrente nach wie vor für gerechtfertigt. (…) Auf alle Fälle müssten die Jahre, die eine ehemalige berufstätige Hausfrau für die Kindererziehung aufwendet, bei ihrer späteren Rente in Anrechnung gebracht werden.“

Im Dankesbrief vom 14.5.1981 schrieb Inge Söchting: „Eigenartig ist, dass (…) der Stellenwert der für die Familie Arbeitenden heute in Frage gestellt wird. Der Familienhausfrau ist es nicht gelungen, sich Anerkennung zu erkämpfen. Diese Anerkennung mit seinen monetären Forderungen sollte vom Gesetzgeber als Investition für einen gesunden Staat gesehen werden.“

Die „Mutter des Grundgesetzes“ hätte noch mehr für die Mütter getan, wenn ihre Kräfte dazu gereicht hätten.

In der Großen Enzyklopädie von Brockhaus von 1993 wird sie übergangen. Doch erhielt sie zahlreiche Ehrungen von politischer Seite. Das Bundesland Hessen vergibt einen Staatspreis in ihrem Namen. Im Frauen-Gedenk-Labyrinth erhielt sie einen Gedenkstein als „Mutter des Grundgesetzes“. Auch dieser Artikel möge Elisabeth Selbert ehren. Sie würde in diesem Jahr 110 Jahre alt, und ihr Todestag jährt sich zum achtzehnten Mal.

(In: Familienarbeit heute. (Hg.) Verband der Familienfrauen und -männer e.V. 1/2006, S. 8)

Paradigmenwechsel und Neubewertung der Arbeit von (Familien-)Frauen (2004)

DIE ZENTRALISIERUNG fast aller Wirtschaftsbereiche ist weltweit nahezu abgeschlossen. Der letzte und volkswirtschaftlich größte Bereich, der wegen seines immensen Arbeitsbedarfs lange nicht zentralisiert werden konnte, ist die Hauswirtschaft. Es handelt sich in der Bundesrepublik im häuslichen Bereich um 96 Milliarden unbezahlte Arbeitsstunden. Dieser Zahl stehen im Erwerbsbereich 60 Milliarden bezahlte Arbeitsstunden gegenüber, d.h. das Verhältnis unbezahlt zu bezahlt ist 3:2. Die unbezahlten Arbeitsstunden werden überwiegend von Frauen erbracht.

All die zeitraubende Arbeit, die noch in meiner Kindheit in den einzelnen Haushalten und umweltverträglich geleistet wurde, wird heute weitgehend zentral in Fabriken energieaufwändig und umweltbelastend erledigt. Nahrungsmittel werden industriell produziert, haltbar gemacht, eingetütet, eingeschweißt und quer durch Europa zur Verbraucherin transportiert, die die Speisen nach wenigen Minuten aus der Mikrowelle holt.
Die Befreiung von einem Teil der Arbeit für Familie und Haushalt hängt zusammen mit einem exorbitanten Energieeinsatz, schon in Anbetracht der Transportwege. Deshalb ist es meiner Meinung nach fahrlässig, einen vollen Erwerbsarbeitsplatz für jeden Mann und jede Frau zu fordern und dabei die ökologische Frage zu vernachlässigen.

Auf die Forderung, die in diesem Zusammenhang immer wieder erhoben wird, für alle den Sechs-Stunden-Tag einzuführen, komme ich später zurück.

Ich habe bis hierher mehrere Male das Wort Arbeit verwendet. Im Allgemeinen wird seit der Industriellen Revolution vor gut 200 Jahren nur die bezahlte Erwerbsarbeit als Arbeit bezeichnet. Das Wort ArbeitsWELT suggeriert, dass das bisschen Erwerbsarbeit (3:2!) schon die ganze WELT ist. Ich nenne Ihnen einige andere Begriffe, die in aller Munde sind: Arbeitsmarkt, Arbeitsvertrag, Arbeitslosigkeit, Bündnis für Arbeit, Arbeitslosenstatistik, usw.

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir nicht einen erweiterten Arbeitsbegriff brauchen, sondern, dass die Reduzierung des Arbeitsbegriffs auf bezahlte Erwerbsarbeit eine unzulässige und ignorante Verkürzung ist. Wenn der Arbeitsbegriff auf bezahlte Erwerbsarbeit verkürzt wird, liegt darin eine Ungerechtigkeit. Privat, in den eigenen vier Wänden mag durchaus die Meinung vorHERRschen, dass mit den Kindern in der Kinderstube Arbeit zu leisten sei. Aber diese private Meinung wird in der Öffentlichkeit vergessen, denn sie ist nicht die herrschende Meinung. Da bedarf es noch vieler Aufklärungsarbeit, und dieser Aufklärungsarbeit hat sich der dhg-Verband der Familienfrauen und -männer verschrieben.

Die Erfahrung und das Wissen, dass Familienarbeit Arbeit ist, sind seit Jahrhunderten nicht mehr präsent. Falsche Zuschreibungen können sich, wenn sie einer profitierenden Gruppe nutzen, Jahrhunderte halten. Der ignorierte Teil der Arbeit wurde mit der Zeit unaussprechlich und in der Generationenfolge sogar undenkbar. Meiner Meinung nach sind wir jetzt, im Jahr 2002, so weit, dass wir wieder denken können: Familienarbeit ist Arbeit.

Innerhalb des großen Komplexes Haus- und Familienarbeit beschränke ich mich nun auf einen Teilbereich, den ich im Folgenden verdeutliche: Für diesen Teilbereich fordere ich ein Entgelt: Das ist meine Utopie.

Die Familienarbeit wird gerne hinter Ausdrücken wie den folgenden zum Verschwinden gebracht: frau

  • kümmert sich
  • sorgt sich
  • schaut nach den Kindern
  • betreut
  • widmet sich
  • bleibt zu Hause
  • kurz: sie arbeitet nicht.

Ihnen leuchtet sicher ein, wie sensibel wir mit Sprache umgehen müssen. Es genügt für eine frauenfreundliche Sprache nicht, die Endsilbe durch das große „I“ zu erweitern. Sprache strukturiert unser Bewusstsein, und Sprache hat energetische Wirkungen. D.h. es werden durch Sprache Wirkungen auf unser Energiepotential ausgelöst, die stärken oder aber schwächen. Wenn eine Frau sich im Hinblick auf das Kindererziehen sagen lassen muss: sie arbeitet nicht, sie macht Pause (Babypause), sie macht Urlaub (wie es Familienministerin Bergmann kürzlich noch in einer Pressemeldung nannte, obwohl ihr eigenes Ministerium das Gesetz zur Elternzeit erarbeitet hatte), dann zieht das energetisch herunter; es entwertet.

Die Nichtachtung "weiblicher" Arbeit führt dazu, dass viele Frauen kinderlos bleiben, zur Zeit ein Drittel der Altersgruppe im gebärfähigen Alter, mit steigender Tendenz.

Dieses Drittel gliedert sich so auf:

  • 20% der Hauptschul- und Realschulabgängerinnen
  • 40% der Akademikerinnen
  • 60% der Managerinnen
  • 80% der Professorinnen

bleiben kinderlos.

5-10% der Ehen waren auch früher kinderlos, oft zu großem persönlichem Kummer.

Der Anteil der ungewollt Kinderlosen scheint zu steigen und bei 15-17% zu liegen. Daneben gibt es aber einen gleich hohen Anteil von Frauen und auch Männern, die Kinder bewusst aus ihrem Lebensplan ausschließen. Diese persönliche Entscheidung gegen Kinder ist zu respektieren, aber es muss klar sein, dass sie etwas kostet. Daran knüpfe ich an, wenn ich über meine Utopie spreche. Jeder und jede hat die Leistung des Großgezogenwerdens in Anspruch genommen. Als Ausgleich dafür wird die Leistung weitergegeben, entweder an eigene Kinder oder als finanzieller Beitrag an die Kinder fremder Leute.

Man sagt immer, Eltern kriegen ein Kind, weil ihnen das Freude macht. Dazu genügt dann aber auch ein Kind. Und so haben wir neben dem Drittel Kinderloser ein zweites Drittel mit nur einem Kind. Erst im Dritten Drittel der Ehen oder Partnerschaften gibt es zwei Kinder und eventuell sogar drei.

Sechste Kinder, so wie ich eins bin, kommen statistisch nicht mehr vor. Diese wenigen Zahlen zeigen das demographische Fiasko. Mit diesen Geburtenzahlen gelingt etwas Wichtiges nicht: nämlich der Einstieg in die Zukunft. Die ist ohne die Leistungen der Familie (der Eltern und der allein Erziehenden) nicht möglich. Denn in der Familie wird heute zu 90% das erwirtschaftet, was die Ökonomen „Humanvermögen“ nennen. Für dessen Erforschung bekam der US-Amerikaner Gary Becker vor gut zehn Jahren den Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften. Ohne dieses Humanvermögen kommt auch die Gesellschaft von morgen nicht aus: emotionale Intelligenz, soziales Bewusstsein, Solidaritätsempfinden, Konfliktlösungsbereitschaft - an all dem mangelt es heute schon. Wie wird eine solch defizitäre Gesellschaft sich entwickeln?

Eines ist sicher: Familienarbeit ist globalisierungsresistent. Die Arbeit wandert nicht aus. Sie bleibt da, wo Familie ist. Drei Kinder schaffen zwei Erwerbsarbeitsplätze: Das ist ein statistischer Durchschnittswert. Auch das ist ein Grund, die Vorschläge für ein Entgelt für Familienarbeit ernsthaft zu diskutieren.

In dem Maße, wie das Berufsbild "Mutter" sich verknappt - und das ist jetzt ein marktwirtschaftliches Gesetz -, rückt es ins Bewusstsein und wird plötzlich teuer. Deshalb muss dieses Berufsbild jetzt bezahlt werden. Ein Entgelt für die Familienarbeit: das ist meine Utopie.

Ich fange mit den Einwänden dagegen an: Dann kriegen ja alle was, die Bequemen, die wenig tun, und die Zahnarztgemahlsgattin, die es nicht nötig hat.
Ich schließe mich hier mit meiner Argumentation Donna Leon an. In ihrem Krimi "Nobilita" lässt sie Kommissar Brunetti denken: „Ihm fiel ein, was Paola einmal gesagt hatte: ... immer, wenn Leute unredlich argumentieren wollen, hatte sie gesagt, tischen sie ein so überzeugendes Beispiel auf, dass man unmöglich etwas dagegen halten kann. Aber so zwingend der Einzelfall auch ist, das Gesetz hat sich an Grundsätzen und Allgemeingültigkeit zu orientieren. Einzelfälle können als Beweis nur für sich selbst und für nichts anderes dienen.“

So weit der Gedanke aus dem Kriminalroman. Zu bedenken ist außerdem, dass es Unfähige und Faule in jedem Beruf gibt. Der zweite Einwand: Rollenfestschreibung (O-Ton Deutscher Frauenrat, konfessionelle Verbände landauf, landab, Hausfrauenbund). Ein Erziehungsgehalt hält Frauen von der allein selig machenden und alterssichernden Erwerbsarbeit ab. Es ist ja nicht die Rolle, die schlecht ist, sondern es sind die Bedingungen, unter denen diese Rolle praktiziert werden muss. Eigenartigerweise tauchte das Stichwort „Rollenfestschreibung“ bei der Einführung der Pflegeversicherungen nicht auf, obwohl da Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt werden, und obwohl da auch Geld fließt, wenn auch nicht direkt in die Hände der pflegenden Person. Im Hinblick auf die Alternative häusliche Pflege oder Altersheim war wahrscheinlich allen FunktionärInnen der Blick auf das eigene häusliche Gepflegtwerden wichtig, und sie setzten die Rollenfestschreibung hintenan, obwohl sie wahrscheinlich stattfindet.

Im Zusammenhang mit meiner Utopie möchte ich Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, was die neue Hirnforschung über die Entwicklung des kindlichen Gehirns sagt: Ein Kind sollte in den ersten drei Lebensjahren ohne Not nicht in fremde Hände gegeben werden. Es ist wichtig, Zeit für das Kind zu haben, damit die Bindungsfähigkeit wachsen kann. Wechselnde Bezugspersonen verwirren, und Kinder merken, wenn sie nur noch ein "Betreuungsproblem" sind.

Allerdings muss ich hier auch einen Blick auf die Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit der Mutter werfen. Eine zufriedene Familienfrau ist gut fürs Kind, eine unzufriedene, womöglich unglückliche Mutter ist es nicht. Hier möchte ich eine wichtige Bemerkung machen: Wenn Fragen anders als üblich gestellt werden, fallen die Antworten auch anders aus. Die Frage ist daher: Warum ist die Mutter, die bei einem kleinen Kind die Familienarbeit leistet, oft unzufrieden? Ist sie unzufrieden, weil sie nicht bei Aldi an der Kasse sitzt oder bei der Sparkasse hinter der Theke steht oder ist sie unzufrieden, weil sie mit der Geburt des Kindes das eigene Geld und die Eigenständigkeit verliert und vom Ehemann/Partner/Sozialamt abhängig wird?
Sie bekommt einfach kein Geld mehr, sie hat - gemäß ehelichem Güterrecht - nur noch Anspruch auf Taschengeld und Unterhalt, obwohl sie arbeitet wie zu kaum einer anderen Zeit ihres Lebens.

Lebt sie allein erziehend mit Kind oder Kindern - deshalb in einer kleinen Wohnung, weil das so schön ist oder weil der Einkommensüberhang der Leute ohne Unterhaltsverpflichtung die Familie vom Wohnungsmarkt verdrängt? Die herrschende Wohnungsbaupolitik sagt: Familien brauchen billige Wohnungen, also müssen Wohnungen stark subventioniert werden. Stattdessen könnte die Lösung heißen: Die Familienarbeiterin braucht Geld für Familienarbeit.

An dieser Stelle sei gesagt, dass die Forderung des dhg-Verbandes der Familienfrauen und -männer die weitestgehende ist von allen inzwischen zahlreichen Modellen, die sich mit einem Entgelt für Familienarbeit beschäftigen. Für eine Reihe von Jahren orientieren wir uns am sozialversicherungspflichtigen Durchschnittseinkommen, steuer- und sozialabgabenpflichtig, und zwar ab dem ersten Kind. Dann erst gibt es wirkliche Wahlfreiheit und Gleichberechtigung. Wahlfreiheit gehört zur Menschenwürde, und daran ermangelt es, aber hoffentlich nicht mehr lange.

Unter den zahlreichen Modellen gibt es eines, das besonders gut durchgerechnet ist. Ich verweise bezüglich Finanzbedarfs auf dieses Modell, auch wenn es hinter unserer Forderung zurück bleibt. Das Gutachten des Arbeitskreises für Familienhilfe von Leipert/Opielka hat erbracht, dass ein Entgelt für Erziehungsarbeit nicht an den Finanzen zu scheitern braucht. Der Unterschied zwischen Utopie und Realität ist der politische Wille.

Ich möchte noch auf das Stichwort „Sechs-Stunden-Tag für alle“ vom Beginn des Vortrages zurück kommen. Dazu ist zu sagen, dass diese Forderung seit dreißig Jahren gebetsmühlenartig erhoben wird, zusammen mit der Forderung, dass Männer die Hälfte der Haus- und Familienarbeit übernehmen sollen. Welche Ergebnisse haben die dreißig Jahre gebracht? ... Spurenelemente. Ich setze dagegen die Forderung, die Familienarbeit zu bezahlen und das einmal dreißig Jahre lang auszuprobieren. Wahrscheinlich ist die Familienarbeit dann sogar für Männer interessant.

Bei Wahlfreiheit gäbe es Frauen, die kontinuierlich im Erwerb bleiben und kontinuierlich Karriere machen. Oder sie machen keine Karriere und bleiben zwanzig Jahre im Supermarkt an der Kasse. Das heißt, sie sind zwar in bezahlter Arbeit, haben aber null "Karriere".
Bei Wahlfreiheit gäbe es aber auch Frauen, die die Erwerbsarbeit aufgeben (von Teilzeitjobs mal abgesehen) und die nach acht oder zehn oder zwanzig Jahren wieder in den Erwerbsberuf einsteigen.

Da heißt es bislang: Der Zug ist abgefahren, Anschluss verpasst. Ich habe zwei schöne Gegenbeispiele dazu: Ein examinierter Lehrer durfte dreiundzwanzig Jahre nicht an einer Schule unterrichten, weil ihm das wegen des damals geltenden Radikalerlasses verwehrt wurde. Er zog von Gericht zu Gericht und siehe da, mit Beendigung des Ost-West-Konfliktes und einsetzender Lehrerknappheit kam er nach dreiundzwanzig Jahren wieder in sein Berufsfeld. Von Kompetenzverlust war nicht die Rede, im Gegenteil, er hatte einen Kleintransporter und einen Gewerbeschein als Spediteur, und das wurde ihm als Kompetenzzuwachs angerechnet.

Das ist ein Beispiel, das ich nach Donna Leons Krimi eigentlich nicht verwenden darf, weil es unter den Einwand „Einzelfall!“ fällt. Aber das nächste Beispiel muss nun wirklich für meine Utopie herhalten. Überschrift: Die Bundeswehr oder: was Vater Staat für seine Jungs tut, wenn sie als Zeitsoldaten gedient haben. Die Bundeswehr bereitet Zeitsoldaten auf ein Leben nach der Kaserne vor. Ein Personalberater organisiert die Berufseinstiegsseminare für ausscheidende Offiziere. Auch die einfachen Zeitsoldaten werden betreut. In Bundeswehrfachschulen können sie sich in Kursen u.a. für eine Laufbahn im öffentlichen Dienst qualifizieren. Traineeprogramme werden angeboten. Ein fünfstelliger Betrag steht für Fortbildungsprogramme pro Person zur Verfügung. Was für Soldaten recht ist, sollte für Mütter billig sein! Zum Paradigmenwechsel würde auch gehören, dass es an allen allgemein bildenden Schulen ein Unterrichtsfach „Soziales Management“ gibt, und zwar für Jungen und Mädchen, um Haushaltsführungskompetenzen zu erwerben.

Und zuletzt: von der Bezahlung weg noch einmal zur Bewertung: Ich weiß nicht, was Sie über Tauschringe wissen. Es ist eine schnell wachsende Bewegung der letzten Jahre, besonders im Osten Deutschlands. In den Tauschringen wird Stunde gegen Stunde getauscht oder, wenn eine Kunstwährung zur Hilfe genommen wird, Talent gegen Talent. Eine Stunde Haus- und Familienarbeit gegen eine Stunde Steuererklärung. In den Tauschringen findet die Haus- und Familienarbeit die gleiche Bewertung wie alle anderen Tätigkeiten im Angebot. Zu meiner Utopie gehört, dass dies auch auf dem Arbeitsmarkt Realität wird.

(In: Familienarbeit heute. (Hg.) Verband der Familienfrauen und -männer e.V. 3/2004, S. 1-6)

Offener Brief an Dorothee Sölle (2001)

Sehr geehrte Frau Sölle!

Ich lese Ihre Bücher gern, so auch das Buch "Zur Umkehr fähig". (1) Mir gefallen Sätze wie „Ich will das, was jetzt da ist, aufmerksam wahrnehmen, ich will aufmerksamer leben und will andere ermutigen, die eigene Wahrnehmung ernster zu nehmen. Die stärkste antimystische Macht ist die Trivialität." (lt. Lexikon Plattheit, Seichtheit, Alltäglichkeit).

Wieso ist Trivialität (nehmen wir es mal im Sinn von Alltäglichkeit) antimystisch? - Mystisches Leben findet gerade dort, im alltäglichen Leben statt. Mystische Erkenntnisse setzen eine Zurücknahme „äußerer“ Freiheit und Vertiefung in die „innere“ Freiheit voraus: ein Verbleiben in der Alltäglichkeit, um das, was jetzt ist, aufmerksam wahrzunehmen (s. o.).

Frauen, die sich aus Freiheit dafür entschieden haben, eine Gemeinschaft zu leiten, zu führen und zu versorgen (Hausfrauen), sind so gesehen urmystisch und nicht trivial.

Wieso sind es gerade die Frauen und Mütter die Religion/Transzendenz/Spiritualität am Leben erhalten und weitergeben? Doch wohl aus dem einen Grund, weil sie den Beruf haben, der die stärkste emotionale Offenheit fordert.

Aber Sie sehen das ja wohl anders, denn Sie schreiben: „Das ist eine der größten Gefahren im Leben von Frauen, dass sie in eine Trivialität hineingedrängt werden, also schon ganz früh etwa in die Trivialisierung der Hausfrauenexistenz, die Abrichtung dazu: ‚das Interessante ist eben nicht für dich’ Da finde ich, dass das poetische Denken...“

Da mag ich überhaupt nicht weiterlesen. Ich finde, Ihr Beispiel ist schlecht gewählt. Sie sind zwar vorsichtig und setzen „etwa“ in den Satz hinein und „ich glaube“. Aber die Botschaft, die ankommt ist: Hausfrauenexistenz ist trivial, und zur Hausfrauenexistenz wird die Person abgerichtet. Und der Satz: „das Interessante ist eben nicht für dich“ legt nahe, dass Kindererziehung und Altenbetreuung nicht interessant sind.

So etwas Herabsetzendes und Entmutigendes findet frau so schnell nicht wieder. Die Hausfrauen (Männer auch?), die die Familienarbeit für ihre Kinder leisten, finden ihre Arbeit nicht trivial und finden auch nicht, dass ihre Existenz einer Abrichtung gleichkommt.

Die Abrichtung liegt wohl mehr in den Augen derer, die definieren, was interessant ist: offenbar jedwede bezahlte Erwerbsarbeit, bei Männern und Frauen. Und interessant sind die Jobs im Erwerbsleben und diese sind weit weg von jeder Trivialisierung, weil sie bezahlt werden.

In meinem Verband, dem dhg. Verband der Familienfrauen und -männer, bemühen wir uns, für Jahre der Familienarbeit/häuslichen Kindererziehungsarbeit eine Bezahlung zu bekommen, damit die unbezahlte Arbeit nicht auch noch dazu führt, die Hausfrauenarbeit für besonders anfällig bezüglich Trivialität zu halten.

Ich füge einiges Material von meinem Verband bei und hoffe, dass Sie mir antworten. (2)

Anmerkungen:

  • (1) Dorothee Sölle: Zur Umkehr fähig. Grünewald-Verlag 1999, hier zu Seite 95.
  • (2) Dorothee Sölle hat diesen Brief vom 17.10.01 nicht beantwortet.

(In: Familienarbeit heute. (Hg.) Verband der Familienfrauen und -männer e.V. 2/2002, S. 5)

Der Herd - ein Ort weiblicher Stärke: Die Qualität des Feuers (1997)

Im Stall von Bethlehem muß es ein Feuer gegeben haben, sonst wäre es Maria, Josef und dem Jesuskind schlecht ergangen. Ich möchte in dieser Weihnachtsausgabe der Rundschau etwas von der Qualität des Feuers erzählen und von seiner Zähmung im Herd.

Daß das Feuer sich überhaupt zähmen ließ, brachte den Menschen die Überlegenheit den Tieren gegenüber. Sie fanden nun Schutz und Wärme in seinem Bannkreis; die Nahrung konnte anders zubereitet werden als zuvor, wenn auch in den Augen mancher Rohkostesser damit schon die Degenerierung des menschlichen Geschlechts beginnt.

Die Frau - Hüterin des Feuers

Schon seit undenklichen Zeiten ist die Frau die Hüterin des Feuers. Im abendländischen Kulturkreis ist eine deutliche Erinnerung bei den Vestalinnen in Rom zu finden. Sie sind Nachkommen eines uralten Ordens heiliger Frauen, die die öffentliche Feuerstelle und den Altar mit dem Ewigen Feuer versorgten, welches das mystische Herz des Römischen Reiches war. Beim Römischen Jahreswechsel wurde in allen Häusern das Herdfeuer gelöscht, und die neue Glut fürs neue Jahr durfte nur bei den Vestalinnen geholt werden. Die Griechen, von denen die Römer die Idee des Heiligen Feuers übernommen hatten, ließen die Kolonisten beim "Pflanzen" neuer Wohnplätze in Übersee heimische Erde und heimische Steine mitnehmen, damit flugs als erstes ein Herd gemauert werden konnte. Das machte die Fremde zur Heimat.

Von den Bewohnerinnen und Bewohnern von Lepenski Vir oberhalb der Donau im früheren Jugoslawien, wo es eine frauenzentrierte Kultur gab, wissen wir, daß sie die Gebeine ihrer Toten unter dem Herd in ihrer Behausung begruben. Die Religion, die Ahnenverehrung und die Wertschätzung des Herdes gehörten unmittelbar zusammen.

Der Herd - Lichtquelle und Wärmespender

Im Niedersächsischen Landesmuseum in Braunschweig las ich einmal folgende Beschriftung: „Lange Zeit war die Herdstelle im Niederdeutschen Hallenhaus nicht nur Kochstelle, sondern auch Lichtquelle und einziger Wärmespender. Sie galt im geistig-spirituellen Sinn als Zentrum des Hauses und hatte so eine besondere Bedeutung im Rechtsbrauchtum. So erhielten mündlich geschlossene Verträge erst durch gemeinsames Handauflegen auf den Kesselhaken Gültigkeit. Auch galt die Verlobung als vollzogen durch den dreimaligen Gang von Braut und Bräutigam um die Herdstelle.“

Das Element Feuer

In Magazinen, die neue Modetrends vorstellen, kann man Artikel über Feng Shui finden, diese interessante Wasser-Wind-Botschaft aus China über feinstoffliche Energie. Nach der Feng Shui-Lehre steht Küche für Kreativität, Handlung und Aktivität. Derek Walter schreibt in „Die Kunst des Wohnens - Feng Shui“ über das Element Feuer als eines der fünf chinesischen Elemente, es „soll den Intellekt repräsentieren. Einleuchtend ist, daß Herstellungsprozesse, bei denen Feuer und Schmelzöfen eine Rolle spielen, dem Element Feuer zugeordnet sind. Weniger unmittelbar einsichtig ist, daß dies auch für chemische Prozesse gilt. - Im Wohnhaus ist der Küchenherd der Platz des Elements Feuer.“

Zurück an Heim und Herd?

Nach diesen Lobreden über Feuer und Herd ist es eigentlich unfaßbar, daß Feuer/Herd so herunterkommen konnten, daß die Formulierung "Zurück an Heim und Herd" das Letzte, das wirklich Allerletzte umreißt, was einer Frau zustoßen kann.

Vordergründig ist es erst einmal schlechtes Deutsch. Sprachlich korrekt müßte es zumindest heißen: „Zurück ins Heim und an den Herd“. Aber das ist ja nur eine sprachliche Feinheit. Hintergründig geht es um viel mehr. Es gibt außer einer plumpen patriarchalen Heim- und Herd-Ideologie eine subtile Variante. Sie liegt auf der nämlichen Ebene wie die Schimpfworte dumme Gans, verrücktes Huhn, dusselige Kuh, schnaubender Drache. In der Pervertierung zu Schimpfworten wird die ursprüngliche Dynamik und heiligende Kraft der Ausgangsbegriffe kaputt gemacht. Die Gänse waren die heiligen, wachsamen Tiere der Göttin Juno - sie retteten das Capitol. In Ägypten säugt Hathor, die Mondscheibe zwischen dem Kuhgehörn, den Pharao. Ein König wurde nicht gesalbt, sondern gesäugt, das erst machte ihn zum Pharao.

Durch die Eingeweideschau bei Hühnern stellten römische Priester fest, ob ein ausgewählter Platz für die Anlage einer neuen Stadt geeignet war. - Und erst die Drachin! Energiebahnen werden seit alters her im Fernen Osten als Drachenlinien bezeichnet. Kein Mythos der Welt kommt ohne Drachin aus.

Ein Kübel Jauche

Irgendwann im Verlauf der Domestizierung der Frau ist es passiert, daß die ursprünglich göttlichen Attribute ihr wie ein Kübel Jauche über den Kopf geschüttet wurden. Die Frau merkte, daß sie stank und beteuerte selbst ihre Stinkigkeit. So ein Schicksal hat auch der Herd erfahren. Dieser Ort ursprünglich weiblicher Stärke verkam zu einem Ort weiblicher Rückständigkeit, und viele Frauen glauben das auch selbst. (Wir von der dhg ja wohl nicht.) Es entwickelte sich die Stabilität einer falschen Ordnung. Solche falschen Ordnungen können Jahrhunderte, gar Jahrtausende währen. Wenn der Konformitätsdruck hinreichend stark ist, wagt bald niemand mehr zu widersprechen. Sind sich ursprünglich vielleicht viele Frauen in heimlicher Opposition einig gewesen, daß der Herd ihre Potenz war und ist, so wird nun das Miesgemachte mit der Zeit unaussprechlich und in der Generationenfolge allmählich undenkbar, bis diese Herd-Potenz am Ende nicht mehr gedacht wird.

Das weibliche Energiefeld

Laßt uns wieder denken, neben allem Recht auf außerhäusliche Erwerbsarbeit, daß der Herd, selbst wenn ein Mann daran steht, ein Ort weiblicher Stärke ist. Niemand schildert das hinreißender als Angelika Aliti in ihrem Buch „Die wilde Frau“: „Die Feuerstellen gelten als das Zentrum der Häuser. Das Haus jedoch ist der Bereich der Frau. Kein Ort, an den sie verbannt wurde, sondern ein Bereich, der ihr zu eigen ist, den sie geschaffen hat und nun in Ordnung hält, damit es ein belebter, ein lebendiger Platz sein kann, zu dem alle kommen, an dem alle gern bleiben... Es ist dieses Energiefeld, das sie schafft, welches ihr eine Macht und Potenz besonderer Art verleiht...Die das Feuer schürten, kannten seine reinigende und spirituelle Kraft. Sie beherrschten nicht nur dieses Element. Sie verbanden es auf die richtige Weise mit der Luft, dem Wasser und der Erde.“

Laßt uns im Sinn von Potenz und Kreativität im neuen Jahr mit reinigender und spiritueller Kraft in rechter Weise die Elemente verbinden!

(In: dhg-Rundschau. (Hg.) Deutsche Hausfrauengewerkschaft e. V. 4/97, S. 1-2)

Frauen-Wirtschaft - Männer-Wirtschaft (1992)

Zu diesem Thema lud die evangelische Akademie Iserlohn vom 26.6. - 28.6. 1992 ein. Über die Grundlagen einer feministischen Wirtschaftsethik wollten wir nachdenken. Doch was heißt schon feministisch?

Frau Rudolph, Professorin der TU Berlin, machte klipp und klar, daß Frauenfragen im Sinn von frauengerecht/frauenfreundlich/frauenpassend bei der Wirtschaftsethik nicht vorkommen. Die Frau kommt im Bereich der Wirtschaftswissenschaften überhaupt nicht vor: nicht auf der Ebene der Berühmtheiten und nicht in den Kernbereichen der theoretischen Diskussion. Die Theoriediskussion steht mit ihrem "homo oeconomicus" im Spielfeld des Androzentrismus, d.h. sie ist aus männlicher Sicht geprägt. In den Wirtschaftswissenschaften kommt auch keine Ebene vor, die Frauenfragen zum Thema hat. Die Frauenfrage bezüglich Familienarbeit kann schon deshalb nicht vorkommen, weil die Familie „privat“ ist, weil nur Tauschbeziehungen am Markt als "wirtschaftlich" definiert werden, weil der homo oeconomicus Arbeit außerhalb des Produktionsbereichs gar nicht denken kann. Und was man nicht denken kann, gibt es auch nicht; darum auch die Schwierigkeiten, die Familienarbeit ins Sozialprodukt aufzunehmen.

Durch die Nicht-Thematisierung wird der Anspruchsargumentation die Basis entzogen. Außerdem sagen die Wissenschaftler, die Wirtschaftswissenschaft habe sich nur mit Sachaussagen auseinanderzusetzen und nicht mit Werturteilsfragen. Frauenfragen und Minderheitenfragen werden aber als Werturteilsfragen definiert und damit ausgegrenzt. Gleichzeitig werden in den Köpfen von Studenten Grenzen gezogen. Frauen, als bisher Randständige und daher weniger Deformierte, könnten, wenn sie jetzt in der Ökonomie arbeiten, neue Ansätze bringen.

Was aber wäre eine weibliche Sicht? Wird die häusliche Erziehungsarbeit als Arbeit angesehen? Und soll sie bezahlt werden? Das bleiben auch bei dem Selbstverständnis der überwiegenden Zahl der Teilnehmerinnen kontroverse Fragen. Aber vielleicht ist es uns dhg-Frauen gelungen, durch immer wiederkehrende Diskussionen (ohne zu nerven!) eine gewisse Nachdenklichkeit zu wecken.

Alternative Modelle sind oft mehr beschreibend als analysierend und oft nur auf Teilbereiche bezogen. Die faszinierende Schlüssigkeit des homo-oeconomicus-Modells fehlt, und deshalb können feministische Konzepte als patchwork-Ökonomie lächerlich gemacht werden. Um dieser Gefahr zu entgehen, und um trotz „Sorge“arbeit im Erwerbsleben mitentscheiden zu können, sei das Erwerbsleben umzustrukturieren. - Naja, das kennen wir ja.

Aus einem anderen Vortrag: Bedeutung des Geldes für die Frau: Herstellung von sozialen Beziehungen in Verbindung mit Gefühlen. Derzeit muß man und frau an die Öffentlichkeit, um durch Gelderwerb den Lebensunterhalt zu sichern. Ein feministisches Wirtschaftskonzept würde auch dem häuslichen Bereich Eigenständigkeit zumessen.

Ein anderes Referat wies im Zusammenhang mit der feministischen Ökonomie auf die Probleme der Länder der 3. Welt hin; darauf sagte Ursula Schüßler, auch dhg-Mitglied: „Wenn ich erst um mein Recht kämpfen darf, wenn ich die ganze Welt rette, dann kann ich gar nicht damit anfangen.“

Gegenwärtig gilt die Reproduktion als das Unwesentliche, die Produktion gilt als alleinseligmachend und wesentlich. Eine feministische Wirtschaftsethik müßte meines Erachtens Geld und Leben verbinden.

Wie könnte eine feministische Wirtschaftsethik aussehen? Was "bezahlt" und "unbezahlt" geleistet wird, soll ganzheitlich/ungetrennt sein. Fortpflanzung und Erziehung sollen nicht Reproduktion sein, linguistisch gilt die Vorsilbe re als Bezug auf etwas Vorhergehendes, Primäres und in diesem Sinn ist der Begriff „Re-produktion“ für Gebären und Kindergroßziehen falsch. Schwangerschaft und Geburt sind die Produktion im wahrsten Sinne des Wortes. Demgegenüber stimmt das übliche Verständnis von Produktion nicht, denn hier wird aus Vorhandenem (vorhergehendem/primären Material) etwas anderes gemacht und das ist: Verarbeitung von Vorhandenem. Damit ist die Willkür der Definition von Re-produktion und Produktion offensichtlich; vor allem eben Werturteil und nicht eine „richtige Sachaussage“. Wenn schon mit diesen technisch/wirtschaftlichen Begriffen gearbeitet werden muß, dann sollte man eher von Primär-Produktion, statt von Re-Produktion sprechen.

(In: dhg-Rundschau. (Hg.) Deutsche Hausfrauengewerkschaft e. V. November1992, H. 4)

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