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Forschungsarbeiten

Forschungsinteressen

  • Instruktionsgrammatik
  • Sprach-​ und Grammatiktheorie
  • (Soziale) Kognition und Grammatik
  • (Sprach-​)Handlungstheorie
  • Wissenschaftstheorie der Linguistik
  • Grammatischer Wandel
  • Grammatische Variation im Deutschen zwischen Dialekt und Standard
  • Universalienforschung
  • Philosophischer Kulturalismus
  • Konstruktivistische Pragmatismen
  • Symbol- und Medienphilosophie
  • Philosophische und Historische Anthropologie
  • Kulturphilosophie
  • Phänomenologie
  • Wissenssoziologie
  • Kognitive und Sozialpsychologie
  • Humanökologie
  • Naturwissenschaften vom Menschen

Forschungsprojekte

2012 – 2015: LOEWE-Schwerpunkt „Fundierung linguistischer Basiskategorien“

  • Laufzeit: 2012–2015
  • Gesamtvolumen ca. 3,7 Mill. Euro
  • siehe Anlage „Bescheinigung Drittmitteleinwerbung“

seit 2015: Regionalsprache.de (REDE)

2010 – 2012: Syntax hessischer Dialekte (SyHD)

2009 – 2011: LOEWE: Konstanz und Wandel in der Sprache

  • Laufzeit: 2009–2011

2008 – 2009 : Digitaler Wenker-Atlas (DiWA)

  •  Laufzeit: 2003–2009
  • in REDE integriert (ehemals www.diwa.info)

Forschungsskizze

In meiner Dissertation (Kasper 2012 bzw., überarbeitet, 2015) habe ich mit der „Instruktionsgrammatik“ eine Spielart einer Konstruktionsgrammatik samt wissenschaftstheoretischer Grundlegung entwickelt. Die Grundidee der Instruktionsgrammatik besteht darin, dass sprachliche Äußerungen Sprachteilhaber:innen dazu anleiten („instruieren“), sich an der Äußerung „entlang“ etwas vorzustellen (zu „konzeptualisieren“) und mit den Vorstellungsinhalten (sowohl mental als auch physisch) etwas zu tun. Dabei verstehe ich Vorstellungen („Konzeptualisierungen“) als simulierte Wahrnehmungen. Somit sind Äußerungen geordnete Anleitungen, um Wahrnehmungen zu simulieren und diese Simulationen praktisch zu verwerten. Die Ordnung der Anleitungen heißt Grammatik. Verschiedene Äußerungsaspekte von der Argumentstruktur über die Elementreihenfolge bis zur Intonationskontur oder der Interpunktion instruieren dabei zu verschiedenen konzeptuellen und praktischen Aktivitäten auf verschiedenen Ebenen des Diskurses (Kasper 2014, 2015c, vorauss. 09/2020). Hinzu kommt, dass die syntaktischen Muster, die (simulierte) Wahrnehmungen kodieren, hinsichtlich bestimmter, insbesondere handlungsrelevanter Unterscheidungen (z.B. Agentivität) meistens unterspezifiziert sind und durch Inferenzen ergänzt werden müssen, die von der lexikalischen Füllung abhängen. Für die Erfolgsbedingungen der Inferenzen liefert eine sozialpsychologisch informierte Attributionstheorie die Kriterien. Soziale Zuschreibungen bilden eine dritte Ebene, die auf Perzepten beziehungsweise Konzeptualisierungen operiert.

Mit der Instruktionsgrammatik versuche ich, kognitive Konstruktionsgrammatiken in wichtigen Punkten zu ergänzen. So trägt die Instruktionsgrammatik erstens der praktischen Einbettung der Kognition Rechnung: Kognitive Aktivitäten stehen in einem wechselseitigen Dienstverhältnis mit menschlichem Handeln und Verhalten und müssen aus diesem Grund in einem weiteren als nur einem mentalen Kontext betrachtet werden. Dies geht – zweitens – damit einher, neben den natürlichen (Wahrnehmung, Konzeptualisierung) auch den kultürlichen Bedingungen des (sprachlichen) Wissens und der (sprachlichen) Praxis theoretisch gerecht zu werden (soziale Zuschreibungen als soziale Handlungen). Dies äußert sich darin, dass konvergierende Evidenz nicht nur in Disziplinen gesucht wird, die den Neuro- und Kognitionswissenschaften nahestehen (vgl. Lakoffs Programm), sondern in gleichem Maße auch in der Soziologie, Philosophie, Allgemeinen und Sozialpsychologie. Neben der Frequenz werden daher auch die weiteren natürlichen und kultürlichen Faktoren analysiert, die für das zentrale Konzept der kognitiven Verfestigung (Entrenchment) mitverantwortlich sind. Drittens wird konvergierende Evidenz programmatisch so ernst genommen, dass – anders als in den vorherrschenden kognitiven Grammatiktheorien – keine theoretischen Konzepte zugelassen werden, für die nur sprachliche Evidenz existiert (wie Profilierung und konzeptuelle Reifizierung).

Mit der Instruktionsgrammatik lassen sich nicht nur kognitive Strukturen zu grammatischen Strukturen in Bezug setzen und beide Strukturtypen umfassend handlungstheoretisch beschreiben, sondern die Annahme birgt auch zahllose Implikationen für linguistische Bindestrichdisziplinen (z.B. Psycho- und Neurolinguistik, Diskurslinguistik, Soziolinguistik) sowie Anknüpfungspunkte an die Forschung anderer Disziplinen. Ich verstehe die Instruktionsgrammatik als meine wissenschaftliche Daueraufgabe. Meine Dissertation und meine Habilitationsschrift stellen die theoretische Herleitung beziehungsweise eine empirische Validierung zentraler Annahmen der Theorie dar. Sie illustrieren auch meine Überzeugung, dass sich Sprachgebrauch, gesellschaftliche Wirklichkeit und (sogar) Grammatik fruchtbar aufeinander beziehen lassen.

Ein weiteres meiner Hauptbetätigungsfelder ist der Sprachgebrauch im Rahmen der Variationslinguistik des Deutschen, insbesondere die diatopischen, diastratischen und diachronischen Variationsdimensionen. In diesem Bereich sind vor allem meine Projektbeteiligungen zu verorten. So war ich an

  • der Entwicklung des Digitalen Wenker-Atlasses (DiWA),
  • an der Erhebung, Dokumentation und Analyse der Syntax der hessischen Dialekte (SyHD) sowie
  • an der methodenpluralistischen „Fundierung“ der „linguistischen Basiskategorien“ grammatische Morphologie, Serialisierung und Belebtheit anhand verschiedener Sprachen, Sprachstufen und Dialekte (LOEWE) beteiligt.

Gegenwärtig

  • erhebe ich im Akademieprojekt „Regionalsprache.de“ (REDE; www.regionalsprache.de) mit einem Mitarbeiter und fünf studentischen Hilfskräften eigenverantwortlich die (Morpho-)Syntax des Deutschen im gesamten Bundesgebiet, und zwar in ihren vertikalen und horizontalen Variationsdimensionen und mittels der indirekten Methode und eines innovativen Online-Erhebungsverfahrens,
  • erschließe, digitalisiere und annotiere ich regionalsprachliche Tonaufnahmen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum für die gesamte Zeitspanne, für die analoge Tonträger mit regional variierender Sprache vorliegen, um sie digital im REDE-System verfügbar zu machen.
  • Im Rahmen von REDE bin ich außerdem am Aufbau eines forschungszentrierten digitalen Informationssystem zu den modernen Regionalsprachen des Deutschen beteiligt (REDE SprachGIS; https://www.regionalsprache.de/SprachGIS/Map.aspx). In dem sprachgeographischen Informationssystem werden die erhobenen Daten georeferenziert visualisiert und gegen Ende der Erhebungen auch in Form von Sprachkarten und als Rohdaten der Forschungsgemeinschaft zur Verfügung gestellt.

Bei einem weiteren Variationsphänomen, dem ich mich gewidmet habe, geht es um die soziale Zuschreibung von Verantwortlichkeit an die Referenten sprachlicher Ausdrücke. Hierin trifft sich meine variationslinguistische mit meiner interdisziplinären sprach- und grammatiktheoretischen Forschung. So habe ich im Rahmen meiner primär theoretisch ausgerichteten Dissertation (Kasper 2015c) mittels Fragebogenerhebungen

  • die sozialpsychologische Dimension grammatischer Konstruktionen erhoben und theoretisch aufgearbeitet. Dabei geht es darum, welche Faktoren neben der Lexik und Grammatik ursächlich für unsere Identifikation semantischer und pragmatischer Relationen sind.

Zuletzt habe ich mich mit einer historischen Korpusstudie (Kasper 2019 [Abgabeversion]/vorauss. 09/2020 [publizierte Fassung]) habilitiert. Dabei habe ich

  • zunächst anhand einer qualitativen und quantitativen Korpusanalyse biblischer Paralleltexte aus dem Alt- und Mittelenglischen, dem Alt-, Mittel-, Frühneuhoch-, Neuhochdeutschen, rezenten Hochalemannischen und Nordniederdeutschen nachgewiesen, wie in der Geschichte des Deutschen und Englischen die Anzahl morphologisch und grammatisch mehrdeutiger Äußerungen in der Sprachgeschichte immer weiter zugenommen hat.
  • Anschließend konnte ich zeigen, wie bestimmte allgemeinkognitiv verankerte Interpretationsmechanismen rund um Belebtheit und Reihenfolge dabei helfen, selbst die mehrdeutigen Äußerungen richtig zu verstehen. Dabei kommen kognitiv-semantische und -pragmatische Interpretationsmechanismen zum Tragen, die ich im Rahmen der Instruktionsgrammatik zu plausibilisieren versucht habe.
  • Auf Basis dieser Daten nehme ich vor dem Hintergrund einer anthropologischen Skizze eine funktionale Neubewertung grammatischer Mechanismen (Morphologie, Elementreihenfolge) vor, die es ermöglicht, die grammatischen Fähigkeiten des Menschen in einen disziplinenübergreifenden Kontext, in ein „Bild des Menschen“, einzubetten und so die Grammatiktheorie auch wieder für gesellschaftliche Fragestellungen relevant zu machen.

Wissenschaftstheoretisch bin ich tätig, indem ich in enger Kooperation mit Christoph Purschke (derzeit Université du Luxembourg) in Vorträgen und Publikationen reflektiere, was speziell linguistische Erklärungen leisten müssen, um als erfolgreich zu gelten, und andererseits, wie variationslinguistische Erklärungen aussehen können, wenn sie versuchen, die sprachlichen Mikro- (Einzelinteraktion) und Makrostrukturen („Sprache“/„Varietät“) zu vermitteln.

Meine wissenschaftliche Tätigkeit ist einem Forschungsprogramm verpflichtet, das in Kasper (2015c) expliziert ist und das in Auseinandersetzung sowohl mit „klassischen“, als auch rezenten Sprachauffassungen entstanden ist (europäischer u. amerikanischer Strukturalismus, Karl Bühler, Generative und Kognitiv-Funktionale Linguistik). Gemeinsamer Nenner meiner wissenschaftstheoretischen Arbeiten ist ein kulturalistischer Pragmatismus, demzufolge theoretische Beschreibungen auf lebensweltlich praktizierte Unterscheidungen zurückführbar sein müssen, um diesen letztlich wieder dienstbar gemacht werden zu können.