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Anna Elisabeth Ksiensik: Meine Aktivitäten im 3. Reich (1989)

Nach der Schulzeit wurde ich Mitglied im Jugendbund des Katholischen Frauenbundes. Inzwischen waren die meisten katholischen Jugendorganisationen durch die Nazis verboten worden. Wir durften uns nur rein religiös betätigen, das heißt es gab keine Reisen und Wanderungen, sondern nur Wallfahrten und Besinnungstage oder Exerzitien (...). Unter der Obhut des Katholischen Frauenbundes, besonderes durch Vermittlung von Frau Horion, konnten wir im Frauenbundhaus in Bendorf unsere Begegnungen abhalten. Wir feierten dort die Hochfeste; Ferienfreizeiten sowie Führerinnenschulungen wurden uns in diesem Haus ermöglicht. Wir wunderten uns oft, dass die Partei und die Gestapo uns in Ruhe ließen, waren aber auch bemüht, nicht aufzufallen.

Während meiner Berufstätigkeit bei der Firma Franzen hatte ich keinen Kontakt zu Parteigenossen und Nazis (...). Da ich in dieser Firma keine Aufstiegschancen hatte, wechselte ich meine Stelle und arbeitete in einem mittleren Industrieunternehmen in Neuss. Hier lernte ich erst den Einfluss der Nazis kennen, da es sich um einen sogenannten kriegswichtigen Betrieb handelte. Inzwischen waren unsere Brüder, Vettern und Freunde eingezogen worden und kämpften an allen Fronten. Es entstand eine lebhafte Korrespondenz mit ihnen, unter anderem über das Thema „Junger Tod“.

Es hatte nach dem Ersten Weltkrieg im Verlag Albert Langen/ Georg Müller ein Buch gegeben: „Kriegsbriefe gefallener Studenten“. Es interessierte uns sehr, und wir diskutierten und korrespondierten darüber, weil es zeigte, in welch elenden Tod die Kriegsbegeisterung führte. Zu unserer Korrespondenz gehörte auch die Euthanasie-Predigt des Bischofs von Galen in Münster. Das war am 3. August 1941. Ich hatte diese Predigt im Büro in Neuss im Zehnerblock (ein Original und neun Durchschlage) geschrieben.

Jemand muss mich bei der Gestapo angezeigt haben, denn eines Tages erschienen im Büro mit dem Betriebsobmann zwei Gestapobeamte und verhörten mich im Beisein meines Chefs, der kreidebleich war und heftig zitterte. Die Beamten waren bestens informiert und beanstandeten, dass ich nie im BDM und nicht in der Partei war. (...) Dann musste ich noch den Lieferanten der Predigt angeben, es war meine Schwester Maria. Sie wurde eine Woche später ins Polizeipräsidium Düsseldorf geholt und hatte es dort wesentlich schwerer, sich aus der Sache herauszureden. Da sie die Unterlagen von einer Lehrerin hatte, hatten wir schnell überlegen müssen, wen wir als Lieferanten angeben konnten, der nicht in einer Staatsstellung war.

Nach den Verhören durch die Gestapo überlegten wir, wie wir uns nun verhalten sollten, entschlossen uns aber, weiter die Soldaten im Feld mit unseren Briefen zu betreuen und sie zu informieren. Mein Bruder hatte inzwischen auch als Offizier Verbindung zum Widerstand aufgenommen. Er starb in Russland am 11. September 1942. Auch viele unserer Vettern und Freunde waren bereits gefallen. Wir hatten inzwischen eine Schreibmaschine organisiert und arbeiteten noch einige Zeit im Luftschutzkeller weiter. Meine Schwester studierte dann in Bonn und später in Tübingen. Nach meiner Heirat am 15. Mai 1944 zog ich aufs Land in die Nähe von Koblenz und war so der Polizei in Düsseldorf ausgewichten.

Nachdem die Geschwister Scholl im Februar 1943 ihren Widerstand mit dem Leben bezahlen mussten. kam uns die Gefährlichkeit unseres Einsatzes erst recht zum Bewußtsein. Wenn ich heute darüber nachdenke, stelle ich fest, dass wir viel riskiert, aber wenig bewegt und erreicht haben.“

Mitgeteilt von Monika Bunte: „Emma Horion und der Katholische Deutsche Frauenbund“. In: Der eigene Blick. Frauen-Geschichte und -Kultur in Düsseldorf. Hrsg. von Ariane Neuhaus-Koch. Neuss 1989, S. 116-117

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