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Univ.-Prof. Dr. Bernd Witte verstorben

 

Das Institut für Germanistik trauert um Univ.-Prof. em. Dr. Bernd Witte (1942–2022)
 

Nach dem Studium der Germanistik, Gräzistik und Philosophie an den Universitäten Münster, Tübingen und Paris wurde Bernd Witte 1966 mit einer Studie zu Platons „Charmides“ promoviert und arbeitete in den Folgejahren zunächst als Lektor, später dann als maitre-assistant von Jean Bollack an der Sorbonne. Nach einer ersten Professur an der RWTH Aachen, wo er sich 1976 mit einer Studie zu Walter Benjamin habilitiert hatte, wurde Bernd Witte 1994 auf einen Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität berufen, den er bis zu seiner Emeritierung 2010 innehatte. In den Jahren von 2002 bis 2006 war er zudem Dekan der Philosophischen Fakultät. Auch nach seiner Emeritierung und bis kurz vor seinem Tod publizierte, forschte, edierte und lehrte er an der Heinrich-Heine-Universität.

Wenngleich nur ein Blick auf Bernd Wittes überaus umfangreiche Publikationsliste genügt, um die beeindruckende Breite seines Forschungs- und Wissenskontextes zu erfassen, finden sich doch auch klare Schwerpunkte, die seine Arbeiten durchgehend bestimmten: Goethe, die Klassische Moderne, deutschsprachige Lyrik und die Beschäftigung mit der jüdischen Kultur, Literatur, Philosophie und Geschichte. Für Letztere waren vor allem die frühen Jahre in Paris prägend, da sie über die Begegnung mit Jean Bollack und anderen jüdischen Intellektuellen wie Paul Celan oder Peter Szondi ein Interesse für die Kultur des Judentums begründeten, das bis zu Bernd Wittes Lebensende anhielt.

Bereits seine Habilitation zu „Walter Benjamin – Der Intellektuelle als Kritiker“ entstand aus dieser Schwerpunktsetzung und trug zudem wesentlich zu einer Wiederentdeckung von Benjamins Werk bei. Dass Letzteres heute aus dem nicht nur wissenschaftlichen Kontext nicht mehr wegzudenken ist, verdankt sich auch Bernd Wittes zahlreichen Publikationen und Tagungen zum Thema sowie der Gründung der Internationalen Walter-Benjamin-Gesellschaft 2000, deren Vorsitz er über Jahre innehatte. Neben Benjamin beschäftigte er sich mit vielen anderen jüdischen Dichtern wie Heine, Kafka, Celan oder Franz Hessel. Nach seiner Emeritierung leitete er zudem von 2010–2018 die Arbeitsstelle „Martin Buber Werkausgabe“ an der Philosophischen Fakultät, die die erste kommentierte Gesamtausgabe der Werke Bubers erarbeitete. Und auch Bernd Wittes letzte große Monographien (Jüdische Tradition und literarische Moderne; Moses und Homer. Griechen, Juden, Deutsche. Eine andere Geschichte der deutschen Kultur; Martin Buber und die Deutschen) kreisen um das Judentum und entwickeln unter anderem die ebenso viel- wie kontrovers besprochene These einer Verdrängung jüdischer Tradition und Kultur durch die deutsche Klassik.

Dabei waren es gerade die Klassik und ihr wichtigster Vertreter Goethe, die neben der Beschäftigung mit dem Judentum die zweite große Konstante in Bernd Wittes wissenschaftlicher Laufbahn bildeten. Bis heute zählt das von ihm herausgegebene „Goethe-Handbuch“ zu den Standardwerken, über viele Jahre war er Vorsitzender und bis zu seinem Tod Vorstandsmitglied des Freundeskreises des Düsseldorfer Goethe-Museums, neben zahlreichen Beiträgen und Editionen verfolgte er noch bis vor wenigen Wochen das Großprojekt einer Überarbeitung und Neu-Edition der Gedichte Goethes nach der Weimarer Ausgabe. Auch hieran wird ersichtlich, dass Bernd Witte mit Goethe vor allem eine Überzeugung teilte: dass man nie aufhören dürfe, tätig zu sein.

Ungebrochen tätig blieb Bernd Witte auch in der Lehre, die ihm genauso wie seine Studierenden immer besonders am Herzen lag. Die Freude nicht nur an der Wissensvermittlung, sondern vor allem auch an der konstruktiven Auseinandersetzung mit Studierenden, bei denen er sehr beliebt war, hat er nie verloren. So hat er nach seiner Emeritierung und bis zum vergangenen Wintersemester an der Heinrich-Heine-Universität gelehrt, in der Pandemie innerhalb kürzester Zeit Zoom- und Hybrid-Sitzungen gemeistert und dabei doch immer wieder vor den Studierenden betont, wie wichtig die persönliche Begegnung und das Gespräch, ganz im Sinne des von ihm so geschätzten Hölderlins – „Seit ein Gespräch wir sind und hören voneinander“ – seien. Dass dieses persönliche Gespräch nun abreißt, trifft nicht nur seine Kolleg:innen und Mitarbeiter:innen, sondern auch viele Studierende, die bei ihm gelernt haben und die teilweise seit Jahren seine Seminare besuchten.

Nur wenige Tage nach seinem 80. Geburtstag ist Bernd Witte am 1. April 2022 in Bonn verstorben. Mit ihm verliert das Institut für Germanistik einen ebenso geschätzten wie engagierten Wissenschaftler und Kollegen, der das Gesicht des Instituts wie auch der Fakultät in vielen Jahren maßgeblich prägte, der seine Forschungsprojekte und Lehrtätigkeit bis kurz vor seinem Tod mit Leidenschaft verfolgte, der sich stets für den akademischen Nachwuchs einsetzte und der nicht zuletzt seine Studierenden immer wieder begeistern konnte. Er wird vielen seiner ehemaligen Weggefährt:innen sehr fehlen.

PD Dr. Sonja Klein 

 

 

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