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Bedeutungs- und Begriffswissen

Die innovative Studie (die im Kontext des von der Autorin und den Autoren durchgeführten, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsprojekts B-05 Frameanalyse deutscher Rechtsbegriffe im Sonderforschungsbereich 991 Die Struktur von Repräsentationen in Sprache, Kognition und Wissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf entstanden ist) wendet Verfahren der linguistisch-semantischen Frame-Analyse auf die Rekonstruktion komplexer fachlich- institutioneller Begriffe in der Domäne „Recht“ an und diskutiert intensiv die Möglichkeiten und Grenzen dieser Methode. Es werden Begriffe und Begriffsnetze aus den Rechtsgebieten Strafrecht und Bürgerliches Recht analysiert und frame-semantisch rekonstruiert; dabei werden z.T. auch konkurrierende Begriffsdeutungen und diachrone Begriffsentwicklungen mit erfasst.

Die Studie leistet Pionierarbeit, da bisher keine anderen Publikationen vorliegen, die auch praktisch-empirisch Bedeutungs- und Begriffswissens-Frames so umfassend und intensiv beschreiben und frame-semantisch darstellen wie hier. Die Aspekte und Probleme einer solchen korpusgestützt und empirisch detailliert arbeitenden Frame-Analyse werden ausführlich dokumentiert und diskutiert. Die einzelnen Kapitel mit verschiedenen Formen der Anwendung der Frame-Analyse zeigen die Leistungsfähigkeit dieser Methode (aber auch, wo ihre Grenzen liegen). Insofern könnte diese Arbeit Vorbild für ähnlich orientierte Studien auch zu anderen Sprachgebrauchs- und Wissens-Domänen sein, und das geplante Buch deshalb auf das Interesse anderer in diesem Feld tätiger Forscherinnen und Forscher stoßen.

Ziel der in diesem Band versammelten Analysen (bzw. des Forschungsprojekts, dessen Ergebnisse hier vorgestellt wurden) war es, am Beispiel von Begriffen aus der Sprachgebrauchs-Domäne des deutschen Rechts (insbesondere der deutschen Gesetzessprache) die Anwendung einer systematischen Frame-Analyse zu erproben. Ausgewählt wurden dafür Begriffe bzw. Begriffsfelder aus dem Strafrecht (Diebstahl und Gewalt) und aus dem Bürgerlichen bzw. Zivilrecht (Eigentum und Besitz). Zugleich sollten drei verschiedene Typen von semantischen Untersuchungen vollzogen werden, um die Eignung des Frame-Modells auch für unterschiedliche Arten von deskriptiv-semantischen Zielsetzungen zu prüfen.

Am Anfang steht das Ziel einer vollständigen Analyse eines in einem kompletten Paragraphen beschriebenen bzw. definierten Rechtsbegriffes, durchgeführt am Beispiel von § 242 StGB zum Begriff (und Tatbestand) Diebstahl. Analysiert und dargestellt werden sämtliche im Haupt-Satz dieses Paragraphen enthaltenen Begriffe, doch immer konzentriert auf die zentralen Tathandlungs-Frame-Elemente. An diesem Beispiel wurde auch das für den Forschungsverbund zugrunde gelegte Modell der Frame-Analyse erstmals systematisch auf einen Rechtsbegriff angewendet.

Der zweite Schritt ist zum einen dem Ziel gewidmet, für einen weiteren zentralen Rechtsbereich, nämlich das Zivilrecht, ebenfalls die Anwendbarkeit und Ergiebigkeit frame-analytischer Verfahren zu prüfen. Dieser Untersuchungsschritt geht über den ersten insofern hinaus, als diesmal nicht nur zwei kontrastive Begriffe, Eigentum und Besitz, in ihrer Eigenbedeutung wie in ihrem Verhältnis zueinander beschrieben werden. Vielmehr erwies sich, dass aufgrund der Vielzahl im BGB definierter Besitz-Begriffe ein ganzes, eng zusammenhängendes Begriffsfeld frame-semantisch analysiert werden konnte (und musste).

Der dritte Schritt ist gezielt dem Begriffs-Vergleich gewidmet, und zwar einmal im (synchronen) Vergleich verschiedener konkurrierender Auslegungs-Varianten eines Rechtsbegriffs, zum anderen (diachron) in der Beschreibung des Auslegungswandels als eines Begriffswandels. Erfasst wird am Beispiel des Ausdrucks (mit) Gewalt in verschiedenen Paragraphen des Strafrechts (insbesondere zu Nötigung und Raub) der sukzessive massive Umbau der gesamten internen Begriffsstruktur. Gerade hier erweist sich die Methode der Frame-Semantik als besonders hilfreich und Klarheit schaffend.

Insbesondere die jedem Teilschritt-und Kapitel angefügten Problemdiskussionen und das Abschlusskapitel diskutieren Probleme der Anwendung der Frame-Analyse auf konkrete Bedeutungsbeschreibungen und sind daher auch über den Gegenstand der Rechtsbegriffe hinaus von allgemeinem Interesse für alle an Fragen der konkreten semantischen Analyse und insbesondere der Frame-Semantik Interessierten.

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